Sandra Kinne entschied nach dem Begräbnis ihrer Großmutter, dass sie Bestatterin werden will. Die studierte Kulturanthropologin nahm Kontakt zur Bestatterin Anne Sallanz auf und kündigte ihren gutbezahlten Job in der Marktforschung. Zum Abschied dachten manche Kollegen, sie mache einen Scherz als sie sagte: „Ich gehe ab sofort ins Bestattungsinstitut.“

Mich verbindet mit Sandra Kinne die Liebe zu den Menschen. Auch ich habe einen guten Job gekündigt, um als Trauerrednerin mit Menschen über ihren Lebensweg zu sprechen. Es sind besondere Momente, in denen Menschen reflektiert über etwas sprechen, was nicht mehr wiederkommen wird. Ihre Gedanken und Ratschläge sind berührend. Ich verpacke das Ganze dann in eine Rede, die ein ganzes Leben spiegelt. Sandra wird von Bestattungsfachkraft Anne Sallanz in Mauer, Sinsheim und Walldorf ausgebildet. Ich habe Sandra zur Weinschorle auf dem Dante-Platz in Heidelberg getroffen und über diesen besonderen Beruf befragt.

Sandra Kinne und Dr. Ingrid Rupp
Sandra und ich hatten bisher zweimal die Ehre, eine Beerdigung gemeinsam zu begleiten.

„Hätte ich mal….!“, ist ein Satz der oft zu spät kommt

Sandra interessiert sich schon seit ihrer Schulzeit für den Beruf der Bestatterin, aber der entscheidende Schlüsselmoment für ihren Entschluss war, dass sich ihre Oma noch lebend von allen Angehörigen verabschieden konnte. Alt und zufrieden konnte sie das Leben hinter sich lassen. Ihre Großmutter sagte „Danke“ und nicht: „Hätte ich mal!“. Die Beisetzung wurde schön, eine junge Pfarrerin erzählte persönlich aus dem Leben der Großmutter. Sandras 6-jährige Nichte war dabei und fragte: „Gehen wir dann zur Beerdigung und schauen zu, wie Oma tot umfällt?“

Diese Frage machte Sandra klar, wie wenig im Alltag über den Tod gesprochen wird, insbesondere mit Kindern. Auch dafür ist das Bestattungshaus von Anne Sallanz bekannt: Kinder werden, wenn die Eltern zustimmen, in die Vorgänge des Sterbens einbezogen. Behutsam erläutern die Mitarbeiterinnen, was passiert und wie die oder der Verstorbene versorgt wird.

Sandra lernt seit 4 Monaten die Toten kennen. In zwei Jahren kann sie sich verbandsgeprüfte Bestatterin nennen. Von Beginn an begleitet sie Angehörige bei den Trauergesprächen. Der Geruch von Körperflüssigkeiten ist für sie okay. Diesen Test müssen neue Mitarbeiter bestehen. Ähnlich wie der Referendar, der nach langen Jahren des Studiums merkt, dass der Frontalunterricht nichts für ihn ist, sollten Bestattungsfachkräfte wissen, wie tote Menschen riechen und sich anfühlen. Auf dem Ausbildungsplan steht daher das Waschen der Toten – eine Arbeit, die noch vor etwa 60 Jahren vorwiegend von den Angehörigen übernommen wurde.

Die wenigstens Menschen wissen, dass ein Verschiedener bis zu 36 Stunden im eigenen Haushalt bleiben darf, bevor der Bestatter bzw. die Bestatterin gerufen werden muss. In dieser Zeit können die Angehörigen das Waschen des Körpers übernehmen und intensiv Abschied nehmen.

Anne Sallanz öffnet einen Sarg.
Anne Sallanz lüftet ein Geheimnis: wie sieht ein Sarg von innen aus?

Bisherige Erkenntnisse über den Tod

Als Frischling in der Firma darf sich Sandra noch zurückhalten, wenn z.B. die Kripo anruft, damit die Mitarbeiter zu einem Suizid an die Bahngleise kommen. Diese Arbeit ist nur was für Hartgesottene.

Sandra führt Gespräche mit den Angehörigen und bekommt mit, was ihnen wichtig ist, wenn sie die Urne aussuchen, sie hört die Trauerrede und ist von der entspannten Stimmung überrascht, die dominiert. Sandra summiert: „Mit Empathie kann man gar nichts falsch machen. Durch Vertrauen und Ruhe wird jede Begleitung vom Gespräch zur Beisetzung schön.“

Im letzten Urlaub fragte ein Freund ungläubig, ob sie wirklich Bestatterin ist: „Wirklich so mit toten Menschen?“ Ihre Antwort darauf lautete: „Als Bestatterin arbeite ich nicht so sehr mit den Toten, sondern viel mehr mit den Lebenden.“

Biografie-Workshop

Nicht jeder muss sterben, damit die eigene Biografie aufgezeichnet wird. Vor Jahren bin ich mit meiner eigenen Oma auf die Reise durch ihr Leben und ihre eigenen Kriegserinnerungen gegangen. Diese Erfahrung hat mich freie Rednerin für emotionale Ereignisse werden lassen. Was bleibt sind die Erzählung und Bilder im Kopf der Mitmenschen.

Für meine Oma war es eine große Erleichterung, dass jemand ihre Geschichte aufgeschrieben hat. Wer Lust hat, seine eigenen Erinnerungen oder die eines geliebten Menschen niederzuschrieben, der ist herzlich eingeladen, beim Biografie-Workshop im November mit mir und Marlen Schneider dabei zu sein:

Infos Biografie-Workshop

Auf der Webseite gibt es alle Infos und Tickets zum Biografie-Workshop mit Dr. Ingrid Rupp und Texterin Marlen Schneider in Heidelberg: http://go-life.org/workshop-biografie-schreiben/.

Dr. Ingrid Rupp und Marlen Schneider
Dr. Ingrid Rupp und Marlen Schneider bieten begleitetes Schreiben in Kleingruppen an.
Foto: Marlen Schneider

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